Auch "Die Welt" gedachte 2009 dem 80. Geburtstag unsers Helden

Veröffentlicht auf von Bembelo

Autor: Holger Kreitling                                                                                                 09.01.2009

Tim und Struppi sind auch mit 80 Jungspunde

Der berühmteste Reporter der Welt hat Geburtstag. An diesem Samstag vor 80 Jahren machten Tim und Struppi sich auf ins Reich der Sowjets. Unterwegs passierte dem Jungen ein Unglück mit seinen Haaren. Und dann tat sein Schöpfer Hergé seinen Helden noch einen ganz besonderen Gefallen.

 

Es ist ja gar nicht wahr, dass der gute Tim immer gleich aussieht, stets genau auf Niveau bleibt, mit den gleichen Utensilien ausgestattet ist. Also bitte! Der geneigte Leser schaue sofort einmal in den Heften nach, er wird feststellen, wie viel sich da getan hat. Die Nuancen zählen, die Details, die winzigen, prunkenden, wunderbar stimmigen Veränderungen.

 

Wie? Kein „Tim und Struppi“ parat?

Das ist aber ein Manko. Die 23 Alben des belgischen Meisters Hergé dürfen in keiner Bibliothek fehlen. Psst, nicht weitersagen, aber besser auf Schiller oder Dostojewski verzichten als auf „Tim und Struppi“.

Da sind die Hosen. Tim trägt seine viel belächelten Knickerbocker nur bis in die siebziger Jahre, er ist praktisch noch ein Jungspund, als er auf lange Hosen umsteigt. Auch der Trenchcoat kommt später dazu, er weht so schön im Wind, wenn Tim in Eile ist (Tim ist praktisch immer in Eile). Der junge Abenteurer geht mit der Mode, seine einfarbigen Pullover und überhaupt sein neobürgerliches Auftreten sind derzeit wieder enorm hip.

Auch sieht Tim mehr. Sein Blick verändert sich, anfangs scheint er kurzsichtig zu sein, seine Umgebung ist jedenfalls wenig aufregend. Ab 1934, ab „Der blaue Lotus“, füllt sich seine Welt mit zahllosen Details, als erfahre der flügge gewordene Abenteurer die Welt ganz neu. Es passieren auch sclimme Dinge: Am 13. Dezember 1934 erscheint ein Titelblatt, auf dem Tim in einer Opiumhöhle liegt und raucht. Rauschgift! Vielleicht hat der Reporter doch mehr erlebt als wir wissen.…

xin 5805041514498031560324

 

 

Lange ist Tims Welt schwarz-weiß. Ab 1943 füllen sich die Flächen der Zeichnungen, immer nur eine Farbe pro Fläche. Fertig ist die berühmte ligne claire.

Reporter Tim ist auf den Tag genau 80 Jahre alt, was man ihm naturgemäß nicht ansieht. Das Alter von Struppi ist unbekannt, die Mathematiker rechnen noch, Hundejahre zählen ja siebenfach. Am 10. Januar 1929 erschienen die ersten Zeichnungen von Georges Remi in der Jugendbeilage der belgischen Zeitung „Le Vingtième Siècle“ (das 20. Jahrhundert). Remi war damals 21 Jahre alt, nicht so viel älter als sein Held. Er hatte zuvor in einer Pfadfinder-Zeitschrift die Abenteuer des jungen Totor gezeichnet, der Tim ziemlich ähnlich sieht. Hergé – RG – waren die vertauschten Anfangsbuchstaben des Namens.

Der Auftrag kam von einem Kirchenmann, Abbé Wallez, der sich eine Fortsetzungsgeschichte für das konservative Blatt wünschte. Er gab auch den Beruf vor, Reporter, und das Ziel, die Sowjetunion. „Tim im Land der Sowjets“ sollte das rote Reich des Bösen bloßstellen. Erste Station von Tim auf der Reise ist übrigens Berlin.

Auf Seite 11 passiert dann das Entscheidende. Tims Haare hatten bislang glatt nach vorne gelegen. Nun rast er in einem Auto davon, der Wind drückt die Haare nach oben und formt die berühmte Tolle. Sie bleibt ihm erhalten; so viel Verlässlichkeit muss sein.

Hergé war gläubiger Katholik, er hielt an der Unschuld und Reinheit seines Helden fest. Anders als sein Schöpfer kommt er nicht in Versuchung. Tim ist treu und tugendhaft und allenfalls ein wenig vorlaut, altklug. Nur in Parodien und illegalen Comics erlebt er die Wonnen des Erwachsenenlebens. Von seinen Kinderkrankheiten – Kolonialismus – befreite Tim sich m Lauf der Jahre. Hergé tilgte später etwa die rassistischen Teile aus „Tim im Kongo“. Auch sprengte Tim kein Nashorn mehr mit Dynamit in die Luft.

Der Zeichner wollte ihn vor Unbilden bewahren und untersagte, bevor er 1983 starb, alle neuen Abenteuer. Wahrscheinlich hat er Tim und Struppi damit den größten Gefallen getan. Sie dürfen nun ewig unterwegs sein, der Junge kurz vor der Pubertät, der Hund auf der Suche nach Knochen oder der nächsten Schurkenwade. Viel Glück!

 

 

ausgeliehen auf der Seite der Tageszeitung  "Die Welt"

 

Veröffentlicht in Rezensionen u.ä.

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post