Nürnberger Nachrichten über Pierre Christin
Comic-Salon zeichnet Ideengeber hinter den Bildern aus | |||
Pierre Christin erhält den Max- und-Moritz-Preis | |||
Unter den vielen Zeichner-Titanen des französischen Autorencomic gibt es kaum einen, mit dem Pierre Christin nicht schon einmal zusammengearbeitet hätte: Jacques Tardi, Enki Bilal, Jean-Claude Mézières sind die bekanntesten. Ihnen liefert er Szenarios: Drehbücher, Dialoge und oft bereits bis detaillierte Regeln, wie sich die Bilder auf die Seiten verteilen sollen. Szenaristen ernten oft weniger Ruhm als die Zeichner, die ihre Vorgaben umsetzen. Kultstatus unter Comic-Fans Nicht so Christin, der auch Film- und Romanautor, promovierter Komparatist und Politologie-Professor ist. Kultstatus erreichte er durch seine Vielseitigkeit: Die jugendkompatiblen Science-Fiction-Stories um »Valérian und Véronique« (für Mézières) haben kaum etwas gemein mit dem verspielten Öko-Märchen »Aufruhr in der Rouerge« (für Tardi) oder der tiefschwarzen Dystopie »Treibjagd« (für Bilal), die bereits 1983 die totalitären Staatslenker Osteuropas in Endzeitstimmung zeigte. Narrativer Aspekt Pierre Christin, der auf dem eher zeichner-fixierten Comicfestival im französischen Angouleme bisher immer leer ausging, ist in Erlangen nach Alan Moore (2008) der zweite Szenarist, der den Lebenswerk-Preis erhält. Dies fügt sich stimmig ins Konzept der Erlanger Salon-Macher, die narrativen Seiten des Comic als »grafischer Literatur« zu betonen. Auch die Hauptausstellung wird sich dem Thema »Szenario« widmen. Und auch der »Spezialpreis der Jury« würdigt die literarische Tradition: Ausgezeichnet werden die Verlage Salleck und Carlsen für zwei Neuausgaben von Werken Will Eisners (1917-2005), der in den 70er Jahren erste »Graphic Novels« schuf und auch diesen Begriff erfand. Gala im Markgrafentheater Die Max-und-Moritz-Preise werden am 4. Juni im Markgrafentheater verliehen. Wen die Moderatoren Denis Scheck und Hella von Sinnen dann außer Christin auf die Bühne bitten werden, ist noch offen: Für die wichtige Kategorie »Bester deutschsprachiger Comic-Künstler« gibt es heuer erstmals keine Nominierungen. Dies sorgt für Spannung bis zum Schluss. Deutsche Titel unter den 20 nominierten sind die historische Kriminalerzählung »Gift« von Peer Meter und Barbara Yelin, der Strip »Das variable Kalendarium« von Kat Menschik aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und das Album »Alpha«, mit dem Jens Harder eine spektakuläre Serie begonnen hat: Sie erzählt in Comic-Form nicht weniger als die Evolutionsgeschichte der Erde. Familientragödie Zu den ausländischen Kandidaten zählen die mystisch-märchenhafte Familientragödie »Drei Schatten« von Cyril Pedrosa und der textfreie Bilderreigen »Ein neues Land«, in dem der Australier Shaun Tan die Fremdheit eines Vertriebenen im Asylland ausmalt. Ebenfalls textlos: der Zeitungsstrip »Lio« des Amerikaners Mark Tatulli, der in markantem Stil und voller comic-historischer Anspielungen die schräge Fantasiewelt eines kleinen Jungen beschreibt. Clemens Heydenreich Nürnberger Nachrichten 21.05.2010 |